„Niemand hat Gott je gesehen; der eingeborene Sohn, der im Schoß des Vaters ist, der hat Aufschluß [über ihn] gegeben.“ Johannes 1:18
„Jesus kam in Armut und Erniedrigung, damit er sowohl unser Vorbild als auch unser Erlöser sein konnte. Wenn er in königlicher Pracht erschienen wäre, wie hätte er Demut lehren, wie hätte er solch durchdringende Wahrheiten wie in der Bergpredigt äußern können? Wo wäre die Hoffnung der Erniedrigten geblieben, wäre Jesus gekommen, um als König unter den Menschen zu wohnen? LJ 122.2
Der Menge schien es dennoch unmöglich, daß dieser Eine, von Johannes angekündigt, mit ihren hochfliegenden Erwartungen im Zusammenhang stehen sollte. Dadurch wurden viele enttäuscht und zutiefst verwirrt. LJ 122.3
Die Worte, die die Priester und Rabbiner so gern hören wollten, daß Jesus nun die Königsherrschaft in Israel wiederaufrichten würde, blieben ungesprochen. Auf solch einen König hatten sie gewartet und nach ihm Ausschau gehalten. Solch einen König wollten sie gern empfangen. Doch einen, der ein Königreich der Gerechtigkeit und des Friedens nur in ihren Herzen errichten wollte, den würden sie nicht annehmen. LJ 122.4
Eingedenk der köstlichen Segnungen, die er den Menschen gebracht hatte, fügte er hinzu: “Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet den Himmel offen sehen und die Engel Gottes hinauf und herab fahren auf des Menschen Sohn.” Johannes 1,51. LJ 127.2
Dem Sinne nach sagte Christus: Am Ufer des Jordans öffnete sich der Himmel, und der Heilige Geist kam auf mich herab gleich einer Taube. Dies geschah zum Zeugnis, daß ich Gottes Sohn bin. Und wer dies glaubt, dessen Glaube wird lebendig sein, und er wird sehen, daß der Himmel offen ist, um sich nie wieder für ihn zu schließen; denn ich habe ihn für die Gläubigen geöffnet. Die Engel Gottes steigen hinauf und tragen die Gebete der Notleidenden und Bedrückten zum Vater empor und fahren herab, um den Menschenkindern Segen und Hoffnung, Mut, Hilfe und Leben zu bringen. LJ 127.3
Lies Johannes 13:1–20. Was ist hier passiert und warum ist diese Geschichte so wichtig? Welche Lektionen wollte Jesus lehren?
Die Jünger machten keinerlei Anstalten, einander zu dienen. Jesus wartete eine Weile, um zu sehen, was sie tun würden, dann erhob er sich von der Tafel, legte das störende Oberkleid ab, “nahm einen Schurz und umgürtete sich”. Erstaunt sahen die Jünger zu; schweigend warteten sie, was nun folgen würde. “Danach goß er Wasser in ein Becken, hob an, den Jüngern die Füße zu waschen, und trocknete sie mit dem Schurz, mit dem er umgürtet war.” Johannes 13,4.5. Diese Handlung Jesu öffnete ihnen die Augen, und bittere Scham erfüllte ihre Herzen; sie fühlten sich gedemütigt. Sie verstanden den unausgesprochenen Tadel und sahen sich selbst in einem ganz neuen Licht. LJ 644.1
So bekundete Jesus seine Liebe zu seinen Jüngern. Ihr selbstsüchtiger Geist bekümmerte ihn; aber er ließ sich in dieser Angelegenheit in keinerlei Auseinandersetzung mit ihnen ein, sondern gab ihnen ein Beispiel, das sie nie vergessen würden. Seine Liebe zu ihnen konnte nicht so leicht gestört oder erstickt werden. Er “wußte, daß ihm der Vater hatte alles in seine Hände gegeben und daß er von Gott gekommen war und zu Gott ging.” Johannes 13,3. Er war sich seiner Göttlichkeit völlig bewußt, hatte aber seine Königskrone und seine königlichen Gewänder abgelegt und die Gestalt eines Knechtes angenommen. Eine der letzten Handlungen seines Erdenlebens war, sich wie ein Diener zu gürten und die Aufgabe eines Dieners zu erfüllen. LJ 644.2
Vor dem Passahfest hatte sich Judas ein zweites Mal mit den Pharisäern und Schriftgelehrten getroffen und mit ihnen vereinbart, Jesus in ihre Hände zu liefern. Ungeachtet dessen mischte er sich hernach unter die Jünger, als ob er sich nie eines Unrechts schuldig gemacht hätte, ja, er nahm sogar an den Festvorbereitungen regen Anteil. Die Jünger wußten nichts von seiner Absicht, nur Jesus kannte sein Geheimnis. Dennoch stellte er ihn nicht bloß; denn er sorgte sich um dessen Seele, für die er die gleiche Bürde auf sich lasten fühlte wie für Jerusalem, als er über die zum Untergang verurteilte Stadt weinte. Sein Herz rief: “Wie könnte ich dich aufgeben!” Auch Judas spürte die bezwingende Macht dieser Liebe, und als Jesu Hände seine beschmutzten Füße wuschen und mit dem Schurz abtrockneten, wurde sein Herz mächtig bewegt von dem Gedanken, seine Sünde sofort zu bekennen. Er schreckte aber vor der Demütigung zurück und verhärtete sein Herz gegen die in ihm aufbrechende Reue. Die alten Regungen, für einen Augenblick zurückgedrängt, beherrschten ihn wieder; er war sogar darüber aufgebracht, daß Jesus seinen Jüngern die Füße wusch. Wer sich so weit erniedrigte, dachte er, konnte nicht Israels König sein! Alle Hoffnungen auf weltliche Ehre in einem irdischen Königreich waren zunichte gemacht. Judas war überzeugt, daß es in der Nachfolge Christi nichts zu gewinnen gab. Nachdem Jesus sich offenbar erniedrigt hatte, fühlte sich Judas in seiner Absicht bestärkt, ihn nicht mehr als Herrn und Meister anzuerkennen, ja, er hielt sich sogar für den Betrogenen. Er war von einem bösen Geist besessen und beschloß, das Werk zu vollenden, das er begonnen hatte: seinen Herrn zu verraten! LJ 644.3
Bei der Platzwahl am Tisch des Herrn hatte Judas mit Erfolg versucht, den ersten Platz zu erlangen, und so diente ihm Jesus auch als erstem. Johannes, gegen den Judas so sehr verbittert war, mußte bis zuletzt warten; doch er wertete das nicht als Tadel oder als einen Ausdruck der Geringschätzung. Die Jünger waren tief bewegt, als sie Jesu Handlungsweise sahen. Da die Reihe an Petrus kam rief dieser bestürzt aus: “Herr, solltest du mir meine Füße waschen?” Jesu Herablassung bedrückte ihn. Er schämte sich bei dem Gedanken, daß nicht einer der Jünger zu diesem Dienst bereit gewesen war. Doch “Jesus antwortete und sprach zu ihm: Was ich tue, das weißt du jetzt nicht; du wirst es aber hernach erfahren”. Johannes 13,6.7. Petrus konnte es nicht ertragen, seinen Herrn, von dem er glaubte, daß er Gottes Sohn ist, als Diener vor sich zu sehen; sein ganzes Empfinden lehnte sich gegen diese Demütigung auf. Er erkannte nicht, daß Christus allein aus diesem Grunde in die Welt gekommen war. Mit aller Entschiedenheit sprach er: “Nimmermehr sollst du mir die Füße waschen!” LJ 645.1
Feierlich erwiderte ihm Jesus: “Werde ich dich nicht waschen, so hast du kein Teil an mir.” Johannes 13,8. Der Dienst, den Petrus verweigerte, war das Sinnbild einer anderen Reinigung. Christus war gekommen, das Herz von den Flecken der Sünde zu reinigen. Indem Petrus dem Herrn nicht erlauben wollte, ihm die Füße zu waschen, wehrte er sich gleichzeitig gegen die Reinigung seines Herzens und verwarf in Wahrheit damit seinen Herrn. Es ist nicht demütigend für den Herrn, wenn wir ihm gestatten, uns zu reinigen. Wahre Demut ist es jedoch, mit dankbarem Herzen jede für uns getroffene Fürsorge anzunehmen und mit Eifer für ihn zu wirken. LJ 645.2
Bei den Worten: “Werde ich dich nicht waschen, so hast du kein Teil an mir” ließ Petrus seinen Stolz und Eigensinn fahren. Den Gedanken der Trennung von Christus konnte er nicht ertragen; das hätte für ihn den Tod bedeutet. “Herr, nicht die Füße allein”, rief er aus, “sondern auch die Hände und das Haupt! Spricht Jesus zu ihm: Wer gewaschen ist, der bedarf nichts als noch die Füße waschen; denn er ist ganz rein.” Johannes 13,9.10. LJ 646.1
Lies Johannes 14,1–3. In welchem Zusammenhang sagte Jesus diese Worte?
Dann sprach er zu ihnen in liebevollen Worten: “Liebe Kinder, ich bin noch eine kleine Weile bei euch. Ihr werdet mich suchen; und wie ich zu den Juden sagte: Wo ich hingehe, da könnt ihr nicht hinkommen, so sage ich jetzt auch euch.” Johannes 13,33. LJ 661.2
Die Jünger vermochten sich über diese Worte nicht zu freuen. Furcht überfiel sie, und sie drängten sich näher an den Heiland heran. Ihr Meister und Herr, ihr geliebter Lehrer und Freund war ihnen teurer als ihr eigenes Leben. Bei ihm hatten sie in allen Schwierigkeiten Hilfe, in allen Kümmernissen und Enttäuschungen Trost gefunden. Und nun wollte er sie — eine einsame, abhängige Schar — verlassen! Trübe Ahnungen durchzogen ihr Gemüt. LJ 661.3
Doch Jesu Worte waren hoffnungsvoll. Er wußte, daß der Feind sie bestürmen würde und daß Satans List bei denen besonders erfolgreich ist, die von Schwierigkeiten niedergedrückt sind. Deshalb lenkte er ihre Gedanken von dem Sichtbaren auf das Unsichtbare, von dem irdischen Jammertal auf die himmlische Heimat. LJ 661.4
“Euer Herz erschrecke nicht!” sagte er. “Glaubet an Gott und glaubet an mich! In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen. Wenn’s nicht so wäre, würde ich dann zu euch gesagt haben: Ich gehe hin, euch die Stätte zu bereiten? Und wenn ich hingehe, euch die Stätte zu bereiten, so will ich wieder kommen und euch zu mir nehmen, damit ihr seid, wo ich bin. Und wo ich hingehe, — den Weg wisset ihr.” Johannes 14,1-4. Euretwillen kam ich auf diese Erde, euretwillen habe ich das Werk aufgenommen, und wenn ich hingehe, werde ich nicht aufhören, für euch zu wirken. Ich kam in die Welt, um mich euch zu offenbaren, damit ihr glauben möchtet. Ich gehe zum Vater, um mit ihm für euch zu sorgen. — Jesu Fortgehen bedeutete also gerade das Gegenteil von dem, was die Jünger befürchteten; es war keine endgültige Trennung. Er ging nur hin, für sie eine Stätte zu bereiten, um dann wiederzukommen und sie zu sich zu nehmen. Während er Wohnungen für sie bereitete, sollten sie ihre Charaktere nach dem göttlichen Ebenbild entwickeln. LJ 661.5
Lies Johannes 14:5, 6. Welche Frage stellte Thomas, wohin Jesus gehen würde? Wie antwortete Jesus?
Noch immer waren die Jünger bestürzt. Thomas, stets von Zweifeln geplagt, sagte: “Herr, wir wissen nicht, wo du hingehst; und wie können wir den Weg wissen?” Jesus antwortete ihm: “Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.” Johannes 14,5-7. LJ 662.1
Es führen nicht viele Wege zum Himmel; kein Mensch kann dabei seinen eigenen Weg wählen. Der Heiland sprach: “Ich bin der Weg ...; niemand kommt zum Vater denn durch mich.” Seit der ersten Evangeliumspredigt im Garten Eden, die besagte, daß der Same des Weibes der Schlange den Kopf zertreten würde, war Christus als der Weg, die Wahrheit und das Leben weit erhöht worden. Er war der Weg, den schon Adam gehen mußte und den Abel ging, als er das Blut des geschlachteten Lammes, das Sinnbild des Erlösers, Gott darbrachte. Er war der Weg, auf dem die Patriarchen und Propheten gerettet wurden. Er ist der Weg, der allein uns den Zugang zu Gott öffnet. LJ 662.2
“Wenn ihr mich kenntet, so kenntet ihr auch meinen Vater. Und von nun an kennet ihr ihn und habt ihn gesehen.” Johannes 14,5-7. Aber noch immer verstanden ihn die Jünger nicht. “Herr, zeige uns den Vater, so ist’s uns genug” (Johannes 14,8), rief Philippus. LJ 662.3
Lies Johannes 14,7-11. Wie klärte Jesus Philippus über sein Missverständnis auf?
“Herr, zeige uns den Vater, so ist’s uns genug” (Johannes 14,8), rief Philippus. LJ 662.3
Verwundert über dessen Unverständnis, fragte Jesus schmerzlich berührt: “So lange bin ich bei euch, und du kennst mich nicht, Philippus?” Ist es möglich, daß du den Vater nicht in den Werken erkennst, die er durch mich tut? Glaubst du nicht, daß ich kam, um von ihm zu zeugen? “Wie sprichst du denn: Zeige uns den Vater?” “Wer mich sieht, der sieht den Vater!” Johannes 4,9. Christus hatte nicht aufgehört, Gott zu sein, als er Mensch wurde. Obgleich er sich erniedrigte und menschliche Gestalt annahm, wohnte die Gottheit noch immer in ihm. Er allein konnte der menschlichen Natur den Vater offenbaren, und die Jünger hatten länger als drei Jahre den Vorzug gehabt, diese Offenbarung des Himmels wahrzunehmen. LJ 662.4
“Glaubet mir, daß ich im Vater und der Vater in mir ist; wo nicht, so glaubet mir doch um der Werke willen.” Johannes 14,11. Ihr Glaube konnte sicher ruhen auf dem Zeugnis, das in den Werken Christi zum Ausdruck kam; in Werken, die kein Mensch aus sich selbst je getan hatte noch tun konnte. Christi Werke bezeugten seine Göttlichkeit. Durch ihn war der Vater geoffenbart worden. LJ 663.1
Glaubten die Jünger an diese lebendige Verbindung zwischen dem Vater und dem Sohn, dann würde ihr Vertrauen auf Christus sie beim Anblick seines Leidens und Sterbens, wodurch er eine verlorene Welt zu retten hoffte, nicht verlassen. Jesus versuchte die Jünger von ihrem niedrigen Glaubensstand zu der Erfahrung zu bringen, die sie machen könnten, wenn sie wirklich erkennten, was er war: Gott in menschlicher Gestalt! Er wünschte, ihr Glaube führte sie allmählich zu Gott und fände dort festen Grund. Wie ernsthaft und beharrlich war der barmherzige Heiland bemüht, seine Jünger auf den Sturm der Versuchung vorzubereiten, der bald über sie hereinbrechen würde! Er wollte sie dann mit ihm in Gott geborgen wissen. LJ 663.2
Lest Johannes 1,14.17; Johannes 8,32; Johannes 14,6 und Johannes 15,26. Wie verbindet Johannes den Begriff der Wahrheit direkt mit Jesus?
Während der gesamten beschwerlichen Wüstenwanderung war das Sinnbild seiner Gegenwart stets bei ihnen. Ebenso schlug Christus seine Hütte inmitten der Wohnstatt der Menschen auf. Er errichtete sein Zelt gleichsam neben unsern Zelten, um unter uns wohnen und uns mit seinem göttlichen Wesen und Leben vertraut machen zu können. “Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingebornen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.” Johannes 1,14. LJ 13.2
Seit Christus kam, um unter uns zu weilen, wissen wir, daß Gott mit unseren Versuchungen vertraut ist und mit unseren Leiden mitempfindet. Jeder Nachkomme Adams kann nun begreifen, daß unser Schöpfer die Sünder liebt. In jedem Gnadenerweis, in jeder Freudenverheißung, in jeder Liebestat, in jedem Lockreiz, der vom Leben des Heilandes auf Erden ausgeht, erkennen wir den “Gott mit uns”! LJ 14.1
Durch sein Menschsein kam Christus der Menschheit nahe, durch seine Göttlichkeit blieb er mit dem Throne Gottes verbunden. Als Menschensohn gab er uns ein Beispiel des Gehorsams, als Sohn Gottes schenkte er uns die Kraft zu gehorchen. Christus war es gewesen, der aus dem Busch auf dem Berge Horeb zu Mose gesprochen hatte: “Ich werde sein, der ich sein werde ... So sollst du zu den Kindern Israel sagen: ‘Ich werde sein’, der hat mich zu euch gesandt.” 2.Mose 3,14. Das war die Bürgschaft für die Befreiung Israels. Als er nun in menschlicher Gestalt zu uns kam, erklärte er sich als der “Ich bin”. Das Kind in Bethlehem, der bescheidene, demütige Heiland ist Gott, “offenbart im Fleisch”. 1.Timotheus 3,16. Zu uns sagt er: “Ich bin der gute Hirte.” Johannes 10,11. — “Ich bin das lebendige Brot.” Johannes 6,51. — “Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben.” Johannes 14,6. — “Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden.” Matthäus 28,18. “Ich bin”, das ist die Beteuerung jeder Verheißung. “Ich bin” — habt deshalb keine Furcht. “Gott mit uns”, das sichert uns Befreiung von der Sünde zu und die Kraft, dem Gesetz Gottes zu gehorchen. LJ 14.3. LJ 15.1
Auf ihre Frage: “Wer bist du denn?” antwortete Jesus: “Erstlich das, was ich euch eben sage!” Johannes 8,25 (Schlachter). Was sich in seinen Worten offenbarte, das zeigte sich auch in seinem Wesen. Er verkörperte die Wahrheiten, die er lehrte. “Von mir selbst tue ich nichts”, versicherte Jesus und fuhr fort: “Wie mich mein Vater gelehrt hat, solches rede ich. Und der mich gesandt hat, ist mit mir; er läßt mich nicht allein; denn ich tue allezeit, was ihm gefällt.” Johannes 8,28.29 (Schlachter). Er unternahm keinen Versuch, seinen messianischen Anspruch zu beweisen, sondern unterstrich sein Einssein mit Gott. Wären die Herzen der Pharisäer der Liebe Gottes gegenüber aufgeschlossen gewesen, so hätten auch sie Jesus angenommen. LJ 461.1
Viele seiner Zuhörer fühlten sich im Glauben zu ihm hingezogen. Zu diesen sagte er: “Wenn ihr bleiben werdet an meiner Rede, so seid ihr in Wahrheit meine Jünger und werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.” Johannes 8,31.32. LJ 461.2
Diese Worte brachten die Pharisäer auf. Daß das Volk lange Zeit unter Fremdherrschaft gestanden hatte, wurde von ihnen übersehen, und ärgerlich riefen sie: “Wir sind Abrahams Kinder und sind niemals jemandes Knechte gewesen. Wie sprichst du denn: Ihr sollt frei werden?” Johannes 8,33. Jesus schaute diese Menschen an, die Sklaven der Bosheit waren und Rachegedanken hegten, und antwortete betrübt: “Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer Sünde tut, der ist der Sünde Knecht.” Johannes 8,34. Sie waren der übelsten Knechtschaft verfallen — beherrscht vom Geist des Bösen. LJ 461.3 LJ 461.4
Lies Johannes 5,38-40. Was sagt Jesus hier über die Heilige Schrift?
Auf jeder Seite der Geschichts-, Lehr- und prophetischen Bücher des Alten Testaments erstrahlt die Herrlichkeit des Sohnes Gottes. Soweit die jüdische Ordnung auf göttliche Anweisung zurückging, war sie eine gedrängte Weissagung der Frohbotschaft. Von Christus “zeugen alle Propheten”. Apostelgeschichte 10,43. Angefangen mit der Weissagung an Adam, über die Zeit der Patriarchen und der Gesetzgebung — immer ebnete das herrliche Licht des Himmels den Fußspuren des Erlösers den Weg. Seher schauten den “Stern” von Bethlehem, den verheißenen “Helden” (1.Mose 49,10), während künftige Ereignisse geheimnisvoll an ihnen vorüberzogen. Jedes Opfer deutete auf Christi Tod hin. Mit jeder Wolke des Räuchopfers stieg seine Gerechtigkeit empor. Mit jeder Posaune des “Erlaßjahres” ertönte sein Name. 3.Mose 25,13. In dem ehrfurchtgebietenden Geheimnis des Allerheiligsten wohnte seine Herrlichkeit. LJ 197.4
Die Juden besaßen die heiligen Schriften und glaubten durch lediglich äußere Kenntnis des Wortes das ewige Leben zu finden. Doch Jesus sagte: “Sein Wort habt ihr nicht in euch wohnen.” Johannes 5,38. Dadurch, daß sie Christus in seinem Wort verworfen hatten, verwarfen sie ihn zugleich als Person. “Doch wollt ihr nicht zu mir kommen”, erklärte er, “daß ihr das Leben hättet.” Johannes 5,40. LJ 198.1
Lies Lukas 24:27. Warum ist es wichtig, dass Jesus zuerst auf die Heilige Schrift verwies, um die Bedeutung seines Wirkens zu offenbaren?
Beim Buch Mose, dem Anfang der biblischen Geschichte, beginnend, erklärte ihnen Christus alle Schriftstellen, die sich auf ihn bezogen. Hätte er sich ihnen sofort zu erkennen gegeben, so wären sie zufrieden gewesen, und in der Fülle ihrer Freude würden sie nichts weiter verlangt haben. Und doch war es für sie notwendig, die Sinnbilder und Weissagungen des Alten Testamentes, die auf Jesus hindeuteten, zu verstehen; denn darauf sollte ihr Glaube ja gegründet sein. Christus tat kein Wunder, um sie zu überzeugen, sondern er sah es als seine erste Aufgabe an, ihnen die heiligen Schriften zu erklären. Sie hatten seinen Tod als Vernichtung all ihrer Hoffnungen angesehen, und nun zeigte Jesus ihnen aus den Propheten, daß gerade sein Kreuzestod der stärkste Beweis für ihren Glauben sei. LJ 800.1
Indem Jesus jene Jünger lehrte, wies er auf die Wichtigkeit des Alten Testamentes hin als ein Zeugnis seiner Sendung. Viele vorgebliche Christen legen heute das Alte Testament beiseite und behaupten, daß es nicht mehr länger von Bedeutung sei. Doch dies lehrte Christus keineswegs. Er selbst schätzte es so hoch, daß er einmal sagte: “Hören sie Mose und die Propheten nicht, so werden sie auch nicht glauben, wenn jemand von den Toten aufstünde.” Lukas 16,31. LJ 800.2
Verwundert über dessen Unverständnis, fragte Jesus schmerzlich berührt: “So lange bin ich bei euch, und du kennst mich nicht, Philippus?” Ist es möglich, daß du den Vater nicht in den Werken erkennst, die er durch mich tut? Glaubst du nicht, daß ich kam, um von ihm zu zeugen? “Wie sprichst du denn: Zeige uns den Vater?” “Wer mich sieht, der sieht den Vater!” Johannes 4,9. Christus hatte nicht aufgehört, Gott zu sein, als er Mensch wurde. Obgleich er sich erniedrigte und menschliche Gestalt annahm, wohnte die Gottheit noch immer in ihm. Er allein konnte der menschlichen Natur den Vater offenbaren, und die Jünger hatten länger als drei Jahre den Vorzug gehabt, diese Offenbarung des Himmels wahrzunehmen. LJ 662.4
“Glaubet mir, daß ich im Vater und der Vater in mir ist; wo nicht, so glaubet mir doch um der Werke willen.” Johannes 14,11. Ihr Glaube konnte sicher ruhen auf dem Zeugnis, das in den Werken Christi zum Ausdruck kam; in Werken, die kein Mensch aus sich selbst je getan hatte noch tun konnte. Christi Werke bezeugten seine Göttlichkeit. Durch ihn war der Vater geoffenbart worden. LJ 663.1
Glaubten die Jünger an diese lebendige Verbindung zwischen dem Vater und dem Sohn, dann würde ihr Vertrauen auf Christus sie beim Anblick seines Leidens und Sterbens, wodurch er eine verlorene Welt zu retten hoffte, nicht verlassen. Jesus versuchte die Jünger von ihrem niedrigen Glaubensstand zu der Erfahrung zu bringen, die sie machen könnten, wenn sie wirklich erkennten, was er war: Gott in menschlicher Gestalt! Er wünschte, ihr Glaube führte sie allmählich zu Gott und fände dort festen Grund. Wie ernsthaft und beharrlich war der barmherzige Heiland bemüht, seine Jünger auf den Sturm der Versuchung vorzubereiten, der bald über sie hereinbrechen würde! Er wollte sie dann mit ihm in Gott geborgen wissen. LJ 663.2