Zeichen der Göttlichkeit

Lektion 2, 4. Quartal, 5.–11. Oktober 2024.

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Sabbat Nachmittag, 5. Oktober

Gedächtnistext:

„ Jesus spricht zu ihr: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt; und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird in Ewigkeit nicht sterben. Glaubst du das? Johannes 11:25, 26.


„ Der Heiland versuchte ihren Glauben in die richtigen Bahnen zu lenken und sprach zu ihr: “Ich bin die Auferstehung und das Leben.” Johannes 11,24.25. In Christus ist ursprüngliches, echtes, eigenes Leben. “Wer den Sohn hat, der hat das Leben.” 1.Johannes 5,12. Die Gottheit Christi bedeutet für den Gläubigen die Gewißheit des ewigen Lebens. “Wer an mich glaubt, der wird leben, ob er gleich stürbe; und wer da lebet und glaubet an mich, der wird nimmermehr sterben. Glaubst du das?” Johannes 11,25.26. Christus dachte hier an seine Wiederkunft, wenn die gerechten Toten “auferstehen unverweslich” (1.Korinther 15,42) und die lebenden Gerechten in den Himmel aufgenommen werden, ohne den Tod zu schmecken. Das Wunder, das Jesus jetzt vollziehen wollte, indem er Lazarus sich vom Tode erheben ließ, sollte die Auferstehung der Gerechten Toten versinnbilden. Durch seine Worte wie auch durch seine Werke kennzeichnete er sich selbst als Urheber der Auferstehung. Er, der selbst bald am Kreuz sterben sollte, stand da mit den Schlüsseln des Todes als Sieger über das Grab und behauptete sein Recht und seine Macht, das ewige Leben zu geben. LJ 523.3

Sonntag, 6. Oktober

Die Speisung der Fünftausend


Lies Johannes 6:1–14. Welche Parallelen lassen sich hier zwischen Jesus und Mose finden? Das heißt, was tat Jesus hier, das die Menschen an die Befreiung erinnern sollte, die ihre Vorfahren durch den Dienst des Mose erhalten hatten?

„ Endlich neigte sich der Tag. Die Sonne sank im Westen, doch das Volk verweilte noch. Jesus hatte den ganzen Tag gelehrt und geheilt, ohne zu essen und zu ruhen; er sah blaß aus vor Mattigkeit und Hunger, und die Jünger baten ihn, seine Arbeit einzustellen. Der Heiland aber wollte sich der Menge, die ihn bedrängte, nicht entziehen. LJ 358.1

Schließlich nötigten ihn die Jünger, die Volksmenge um ihrer selbst willen zu entlassen, da viele von weither gekommen waren und seit dem Morgen nichts gegessen hatten. Sie könnten vielleicht in den benachbarten Orten Nahrung kaufen. Jesus aber sagte: “Gebt ihr ihnen zu essen!” Markus 6,37. Dann wandte er sich an Philippus und fragte ihn: “Wo kaufen wir Brot, daß diese essen?” Das sagte er nur, um den Glauben des Jüngers zu prüfen. Philippus warf einen Blick auf die Volksmenge und hielt es für unmöglich, genügend Speise für diese riesige Menschenansammlung zu besorgen. Er antwortete daher: “Für zweihundert Silbergroschen Brot ist nicht genug unter sie, daß ein jeglicher ein wenig nehme.” Johannes 6,7. Darauf erkundigte sich Jesus, wieviel Nahrung unter der Menge vorhanden sei, und er erfuhr von Andreas : “Es ist ein Knabe hier, der hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische; aber was ist das unter so viele?” Johannes 6,9. Da ließ sich der Herr die Brote und die Fische bringen und gebot den Jüngern, das Volk sich in Gruppen zu fünfzig und hundert Mann auf der Wiese lagern zu lassen, um der Ordnung willen und damit alle sehen konnten, was er tun wollte. Als dies geschehen war, nahm er die Speise, “sah auf gen Himmel und dankte und brach’s und gab die Brote den Jüngern, und die Jünger gaben sie dem Volk. Und sie aßen alle und wurden satt und hoben auf, was übrigblieb von Brocken, zwölf Körbe voll”. Matthäus 14,19.20. LJ 358.2

Der Heiland wirkte nur dann ein Wunder, wenn einem wirklichen Bedürfnis abzuhelfen war. Jedes Wunder diente dazu, das Volk zu dem Baum des Lebens zu führen, dessen Blätter die Menschen gesunden lassen. Die Speise, die von den Jüngern ausgeteilt wurde, enthielt eine große geistliche Lehre. Es war ein bescheidenes Mahl: Fische und Gerstenbrot. Sie bildeten die tägliche Nahrung der Fischer am Galiläischen Meer. Christus hätte dem Volk eine reiche Tafel decken können; aber eine Nahrung, die lediglich dem Gaumenkitzel diente, würde wenig nützliche Lehre für sie enthalten haben. Der Heiland aber wollte durch diese Speisung zeigen, daß die natürliche Vorsorge Gottes für den Menschen verfälscht worden war. Noch nie haben Menschen die größten Delikatessen, die für den verwöhntesten Geschmack aufgetischt wurden, mehr Genuß bereitet als die Ruhe und diese einfache Speise, die Christus ihnen, fernab aller menschlichen Behausungen, verschaffte. LJ 359.1

Montag, 7. Oktober

„Das ist wahrlich der Prophet.“


Lies Johannes 6:14, 15, 26–36. Wie reagierten die Menschen auf sein Wunder und wie versuchte Jesus, ihnen dadurch zu zeigen, wer er war?

In der Dämmerung eines Frühlingsabends aß die Menge auf der weiten, grünen Ebene die Speise, die ihnen der Heiland verschafft hatte. Die Worte Jesu, die sie an jenem Tage gehört hatten, waren ihnen wie Offenbarungen Gottes vorgekommen; die Werke der Heilung, die sie sehen durften, konnten nur durch göttliche Kraft bewirkt worden sein. Das Wunder der Brote aber berührte jeden persönlich; jeder einzelne hatte Anteil an dieser Segnung. Zu Moses Zeit hatte der Herr die Kinder Israel in der Wüste durch Manna gespeist, und wer war dieser, der sie heute gespeist hatte, anderes als der, von dem Mose geweissagt hatte? Kein Mensch konnte aus fünf Gerstenbroten und zwei kleinen Fischen genügend Speise schaffen, um damit Tausende hungriger Seelen zu sättigen. Und sie sagten zueinander: “Das ist wahrlich der Prophet, der in die Welt kommen soll.” Johannes 6,14. LJ 367.1

„ In ihrer Begeisterung sind sie bereit, Jesus sofort zum König zu krönen. Sie sehen, daß er sich keinerlei Mühe gibt, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken oder sich ehren zu lassen. Hierin unterscheidet er sich wesentlich von den Priestern und Obersten, und sie befürchten, daß er nie einen Anspruch auf Davids Thron geltend machen wird. Sie beraten gemeinsam und kommen überein, Gewalt anzuwenden und ihn als König von Israel auszurufen. Die Jünger schließen sich der Menge an und erklären, daß der Thron Davids das rechtmäßige Erbe ihres Herrn sei. Nur Jesu Bescheidenheit, sagen sie, veranlasse ihn, diese Ehre auszuschlagen. Möge doch das Volk seinen Befreier erheben, dann werden die hochmütigen Priester und Obersten gezwungen sein, den mit göttlicher Macht ausgestatteten Heiland zu ehren. LJ 367.3

Es werden nun eilig Vorbereitungen getroffen, diesen Plan auszuführen. Doch der Herr bemerkt ihre Absicht und kennt besser als das Volk die Folgen einer solchen Handlung. Schon jetzt trachten die Priester und Obersten ihm nach dem Leben und beschuldigen ihn, daß er das Volk gegen sie aufwiegele. Der Versuch des Volkes, ihn auf den Thron zu setzen, würde nur Gewalttat und Aufruhr nach sich ziehen und das geistliche Reich in Gefahr bringen. Dieser Entwicklung mußte umgehend Halt geboten werden. Jesus ruft seine Jünger und befiehlt ihnen, sofort das Boot zu besteigen und nach Kapernaum zurückzufahren, während er selbst das Volk entlassen werde. LJ 368.1

Jesus aber befriedigte ihre Neugier nicht. Traurig erwiderte er: “Ihr suchet mich nicht darum, daß ihr Zeichen gesehen habt, sondern weil ihr von dem Brot gegessen habt und seid satt geworden.” Johannes 6,26. Sie suchten ihn nicht aus achtbaren Beweggründen. Das Brot hatte sie gesättigt, und nun erwarteten sie, weitere irdische Wohltaten zu empfangen, wenn sie sich an ihn hielten. Der Heiland aber beschwor sie: “Verschafft euch doch nicht die Speise, die vergänglich ist, sondern die Speise, die für das ewige Leben vorhält.” Johannes 6,27 (Menge). Mit anderen Worten: Trachtet nicht nur nach irdischem Gewinn! Laßt es nicht euer Hauptanliegen sein, für das diesseitige Leben zu sorgen, sondern strebt nach geistlicher Speise, das heißt, nach jener Weisheit, die bis ins ewige Leben fortwirkt und die allein der Sohn Gottes schenken kann; “denn Gott, der Vater, hat ihn dazu ermächtigt”. Johannes 6,27 (GN). LJ 375.3

Augenblicklich war das Interesse der Hörer geweckt. Sie riefen aus: “Was sollen wir tun, daß wir Gottes Werke wirken?” Johannes 6,28. Sie hatten vieles und Schweres geleistet, um sich vor Gott angenehm zu machen. Bereitwillig hätten sie jeder neuen Vorschrift zugestimmt, durch deren Befolgung sie sich ein größeres Verdienst verschaffen konnten. Ihre Frage bedeutete eigentlich: Was sollen wir tun, um uns den Himmel zu verdienen? Welchen Preis müssen wir zahlen, um das künftige Leben zu erlangen? LJ 375.4

“Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Das ist Gottes Werk, daß ihr an den glaubet, den er gesandt hat.” Johannes 6,29. Als Preis fordert der Himmel die Annahme Jesu. Der Weg zum Himmel geht über den Glauben an “Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt”. Johannes 1,29. LJ 376.1

„ Jetzt fragte ihn ein Schriftgelehrter halb spöttisch: “Was tust du denn für ein Zeichen, auf daß wir sehen und glauben dir? Was wirkest du? Unsre Väter haben das Manna gegessen in der Wüste, wie geschrieben steht: ‘Er gab ihnen Brot vom Himmel zu essen.’” Johannes 6,30.31. LJ 376.3

Die Juden ehrten in Mose den Spender des Manna und priesen so den Mittler, wobei sie den aus den Augen verloren, der die Tat eigentlich vollbracht hatte. Ihre Vorfahren hatten gegen Mose gemurrt, an ihm gezweifelt und seine göttliche Mission geleugnet. In der gleichen Gesinnung verwarfen die Nachkommen dieser Männer jetzt den, der ihnen die Botschaft Gottes ausrichtete. “Da sprach Jesus zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Nicht Mose hat euch das Brot vom Himmel gegeben.” Johannes 6,32. Der Spender des Manna stand vor ihnen. Christus selbst hatte ja die Hebräer durch die Wüste geführt und sie täglich mit Himmelsbrot gesättigt. Diese Nahrung war ein Sinnbild für das wahre Himmelsbrot. Der lebenspendende Geist, ein Ausfluß der unendlichen Fülle Gottes, ist das wahre Manna. “Denn”, so sagte Jesus, “das Brot Gottes ist das, welches aus dem Himmel herabkommt und der Welt Leben gibt.” Johannes 6,33 (Menge). LJ 376.4

Dienstag, 8. Oktober

Die Heilung des Blinden: Teil 1


Lies Johannes 9:1–16. Was dachten die Jünger, war die Ursache für die Blindheit dieses Mannes, und wie korrigierte Jesus ihre falschen Vorstellungen?

Die Juden glaubten ganz allgemein, daß die Sünde bereits in diesem Leben bestraft würde. In jeder Heimsuchung erblickten sie die Strafe für eine Übeltat, die der Leidende oder seine Eltern begangen hatten. Gewiß, alles Leiden stammt aus der Übertretung des göttlichen Gesetzes. Diese Wahrheit war jedoch verfälscht worden. Satan, der Urheber der Sünde mit all ihren Folgen, hatte die Menschen dazu gebracht, Krankheit und Tod als Maßnahmen Gottes zu sehen, als Strafe, die willkürlich wegen der Sünde verhängt wurde. Von daher kam es, daß jemand, der Kummer hatte oder im Unglück steckte, noch unter der zusätzlichen Belastung stand, als großer Sünder zu gelten. LJ 467.1

Auch die Jünger teilten den Glauben der Juden über die Beziehung von Sünde und Leiden. Als Jesus ihren Irrtum berichtigte, sagte er ihnen jedoch nichts über die Ursache der Heimsuchung des Mannes, sondern verwies sie auf das Ergebnis: Es sollten “die Werke Gottes offenbar werden”. Johannes 9,3. Jesus stellte fest: “Dieweil ich bin in der Welt, bin ich das Licht der Welt.” Johannes 9,5. Als er dann die Augen des Blinden mit einem Brei belegt hatte, schickte er ihn zum Teich Siloah, um sich dort zu waschen. Danach konnte der Blinde wieder sehen. Durch dieses Geschehen beantwortete Jesus die Frage seiner Jünger, wie er es im allgemeinen tat, wenn ihm Fragen aus purer Neugier vorgelegt wurden. Die Jünger sollten sich nicht über das Problem streiten, wer gesündigt oder nicht gesündigt hatte, sie sollten vielmehr die Allmacht und Gnade Gottes begreifen, die dem Blinden das Augenlicht wiedergab. Es lag klar auf der Hand, daß weder der Lehmbrei noch der Teich, in dem sich der Blinde gewaschen hatte, Heilkräfte besaßen, sondern allein Christus. LJ 467.4

Mittwoch, 9. Oktober

Die Heilung des Blinden: Teil 2


Lies Johannes 9:17–34. Welche Fragen stellten die Führer und wie antwortete der Blinde?

Dann führten sie ihn vor einen Ausschuß der Pharisäer. Wieder wurde er ausgefragt, auf welche Weise er seine Sehkraft wiedererlangt habe. Er erwiderte: “Einen Brei legte er mir auf die Augen, und ich wusch mich und bin nun sehend.” Da behaupteten einige Pharisäer. “Dieser Mensch ist nicht von Gott, weil er den Sabbat nicht hält.” Johannes 9,15.16. Die Pharisäer hofften, Jesus zu einem Sünder stempeln zu können, denn dann wäre er bestimmt nicht der Messias. Sie ahnten nicht, daß er, der den Blinden geheilt hatte, der Stifter des Sabbats war und dessen Ansprüche genau kannte. Sie selbst legten einen bemerkenswerten Eifer für die Heiligung des Sabbats an den Tag und planten ausgerechnet an diesem Tag einen Mord. Viele andere aber waren zutiefst bewegt, als sie von dem Heilungswunder erfuhren, und sie waren überzeugt, daß der Mann, der dem Blinden das Augenlicht geschenkt hatte, mehr war als ein sterblicher Mensch. Ihre Antwort auf den Vorwurf, daß Jesus ein Sünder sei, weil er den Sabbat nicht hielte, lautete: “Wie kann ein sündiger Mensch solche Zeichen tun?” Johannes 9,15.16. LJ 468.3

Die Pharisäer merkten, daß sie Jesu Wirken der Öffentlichkeit bekanntmachten. Sie konnten das Wunder ja nicht einfach leugnen. Der Blinde war voller Freude und Dankbarkeit. Er bestaunte die wunderbaren Dinge in der Natur und war über die Schönheit des Himmels und der Erde entzückt. Freimütig erzählte er von seinem Erlebnis und wieder versuchten sie, ihn zum Schweigen zu bringen mit den Worten: “Gib Gott die Ehre! Wir wissen, daß dieser Mensch ein Sünder ist.” Johannes 9,24. Das sollte heißen: Behaupte nicht noch einmal, daß dich dieser Mann sehend machte. Das war Gottes Werk! LJ 469.4

Der Blinde antwortete: “Ist er ein Sünder? Das weiß ich nicht; eines aber weiß ich wohl: daß ich blind war und bin nun sehend.” Johannes 9,25. LJ 470.1

Darauf fragten sie ihn erneut: “Was tat er dir? Wie tat er deine Augen auf?” Johannes 9,26. Mit vielen Worten versuchten sie ihn zu verwirren, so daß er selbst denken sollte, getäuscht worden zu sein. Der Teufel und seine bösen Engel standen den Pharisäern zur Seite. Sie vereinten ihre Kraft und Schläue mit der Vernunft der Menschen, um dem Einfluß Christi entgegenzuwirken. So schwächten sie die zustimmende Meinung, die viele bereits gewonnen hatten. Aber auch die Engel Gottes waren auf dem Plane, um den Mann zu stärken, dessen Augenlicht wiederhergestellt worden war. LJ 470.2

Der Herr Jesus kannte die Prüfung, durch die dieser Mann gehen mußte. Deshalb verlieh er ihm Gnade und Ausdruckskraft, ein Zeuge für Christus sein zu können. Daher antwortete der Blindgeborene den Pharisäern mit Worten, die eine schneidende Zurückweisung der Fragesteller waren. Sie erhoben den Anspruch, Ausleger der heiligen Schriften und religiöse Führer ihres Volkes zu sein. Jetzt aber war jemand da, der Wunder wirkte, und sie mußten zugeben, daß sie die Kraftquelle, aus der er schöpfte, seinen Charakter und seinen Anspruch nicht kannten. Der Blindgeborene antwortete: “Das ist ein wunderlich Ding, daß ihr nicht wisset, woher er ist, und er hat meine Augen aufgetan. Wir wissen, daß Gott die Sünder nicht hört; sondern wenn jemand gottesfürchtig ist und tut seinen Willen, den hört er. Vom Anbeginn der Welt hat man nicht gehört, daß jemand einem Blindgeborenen die Augen aufgetan habe. Wäre dieser nicht von Gott, er könnte nichts tun.” Johannes 9,30-33. LJ 470.4

Der Mann hatte seine Inquisitoren auf ihrem eigenen Felde geschlagen, und sie kamen gegen seine Beweismittel nicht auf. Die Pharisäer wunderten sich und schwiegen, gebannt von den scharfsinnigen und entschlossenen Worten. Einige Augenblicke herrschte Ruhe. Dann aber rafften die finster dreinschauenden Priester und Rabbiner ihre Gewänder zusammen, als könnten sie sich durch eine Berührung mit ihm anstecken, schüttelten den Staub von ihren Füßen und schleuderten ihm die Anklage entgegen: “Du bist ganz in Sünden geboren und lehrst uns?” Und sie stießen ihn hinaus. Johannes 9,34. LJ 471.1

Donnerstag, 10. Oktober

Die Auferweckung von Lazarus


Lies Johannes 11:38–44. Was tat Jesus, um seinen Anspruch zu untermauern?

Der Heiland versuchte ihren Glauben in die richtigen Bahnen zu lenken und sprach zu ihr: “Ich bin die Auferstehung und das Leben.” Johannes 11,24.25. In Christus ist ursprüngliches, echtes, eigenes Leben. “Wer den Sohn hat, der hat das Leben.” 1.Johannes 5,12. Die Gottheit Christi bedeutet für den Gläubigen die Gewißheit des ewigen Lebens. “Wer an mich glaubt, der wird leben, ob er gleich stürbe; und wer da lebet und glaubet an mich, der wird nimmermehr sterben. Glaubst du das?” Johannes 11,25.26. Christus dachte hier an seine Wiederkunft, wenn die gerechten Toten “auferstehen unverweslich” (1.Korinther 15,42) und die lebenden Gerechten in den Himmel aufgenommen werden, ohne den Tod zu schmecken. Das Wunder, das Jesus jetzt vollziehen wollte, indem er Lazarus sich vom Tode erheben ließ, sollte die Auferstehung der Gerechten Toten versinnbilden. Durch seine Worte wie auch durch seine Werke kennzeichnete er sich selbst als Urheber der Auferstehung. Er, der selbst bald am Kreuz sterben sollte, stand da mit den Schlüsseln des Todes als Sieger über das Grab und behauptete sein Recht und seine Macht, das ewige Leben zu geben. LJ 523.3

“Hebt den Stein weg!” LJ 527.1

Der Befehl Jesu ist ausgeführt, der Stein weggerollt. Alles geschieht offen und mit Bedacht, so daß alle sehen können, daß kein Betrug im Spiele ist. Vor ihnen liegt kalt und stumm der Leichnam des Lazarus in seinem Felsengrab. Das Schluchzen der Leidtragenden ist verstummt. Erstaunt und erwartungsvoll umstehen sie das Grab und warten der Dinge, die da kommen sollen. LJ 527.2

Ruhig steht der Heiland vor dem Grab. Ein heiliger Ernst liegt auf allen Anwesenden. Jesus tritt näher an die Grabstätte heran. Zum Himmel aufblickend, spricht er: “Vater, ich danke dir, daß du mich erhört hast.” Johannes 11,41. Kurz vorher erst hatten Jesu Feinde ihn der Gotteslästerung angeklagt und Steine aufgenommen, “daß sie ihn steinigten”, weil er beanspruchte, Gottes Sohn zu sein. Sie beschuldigten ihn, durch Satans Macht Wunder zu wirken. Doch hier nimmt Jesus erneut Gott als seinen Vater in Anspruch und in vollkommenem Vertrauen erklärt er, Gottes Sohn zu sein. LJ 527.3

“Da er das gesagt hatte, rief er mit lauter Stimme: Lazarus, komm heraus!” Johannes 11,43. Seine klare, durchdringende Stimme klingt an das Ohr des Toten. Während er spricht, bricht das Göttliche durch seine menschliche Natur hindurch. In seinem Antlitz, das von der Herrlichkeit Gottes erleuchtet ist, liest das Volk die Gewißheit seiner Macht. Jedes Auge ist fest auf den Eingang der Höhle gerichtet, jedes Ohr gespannt, das leiseste Geräusch zu erhaschen. Mit tiefer, schmerzlicher Anteilnahme warten alle auf das Zeugnis der Göttlichkeit Christi, auf den Beweis, der seinen Anspruch, Gottes Sohn zu sein, bekräftigt oder die Hoffnung seiner Anhänger für immer zunichte macht. LJ 528.1

Es regt sich in dem stillen Grab, und Lazarus, der tot war, steht im Eingang der Felsengruft. Seine Bewegungen sind behindert durch die Sterbekleidung, in der er zur Ruhe gelegt wurde, und Christus sagt zu den in Erstaunen versetzten Anwesenden: “Löset die Binden und lasset ihn gehen!” Johannes 11,44. Wieder wurde ihnen vor Augen geführt, daß der Menschensohn mit Gott zusammenarbeitet, um als Mensch für den Menschen zu wirken. Lazarus ist frei und steht vor den Versammelten, nicht als einer, der von Krankheit ausgezehrt ist, mit schwachen, wankenden Gliedern, sondern als ein Mann in den besten Jahren und in der vollen Kraft seiner stattlichen Männlichkeit. Aus seinen Augen blicken Klugheit und Liebe für den Heiland. Anbetend wirft er sich ihm zu Füßen. LJ 528.2

Zuerst sind die am Grabe Weilenden sprachlos vor Verwunderung. Dann folgt ein unbeschreibliches Jubeln und Danken. Die Schwestern erhalten ihren Bruder als eine Gabe von Gott zurück, und unter Freudentränen stammeln sie dem Heiland ihren Dank. Doch während die Geschwister und die Freunde sich freuen, wieder vereint zu sein, verläßt der Heiland den Schauplatz. Als sie sich nach ihm, dem Lebensquell, umschauen, ist er nirgends zu finden. LJ 528.3

Freitag, 11. Oktober

Weiterführende Studium

Bethanien lag so nahe bei Jerusalem, daß die Nachricht von der Auferstehung des Lazarus bald die Hauptstadt erreichte. Durch Kundschafter, die als Augenzeugen das Wunder Jesu miterlebt hatten, wurden die jüdischen Obersten schnellstens von den Geschehnissen unterrichtet. Man berief sofort den Hohen Rat ein, um sich über die weiteren Schritte schlüssig zu werden. Christus hatte nun völlig seine Macht über Tod und Grab bekundet. Mit diesem mächtigen Wunder gab Gott den Menschen den krönenden Beweis, daß er seinen Sohn zu ihrem Heil in die Welt gesandt hatte. Es war eine Offenbarung göttlicher Macht, die genügte, jeden zu überzeugen, der unter der Herrschaft der Vernunft und eines erleuchteten Gewissens stand. Viele, die Augenzeugen der Auferstehung des Lazarus gewesen waren, wurden zum Glauben an Jesus geführt. Doch der Haß der Priester gegen ihn verstärkte sich. Alle geringeren Beweise seiner Göttlichkeit hatten sie verworfen, und jetzt waren sie erzürnt ob dieser neuen Wundertat. Der Tote war am hellen Tag und vor einer großen Zeugenschar auferweckt worden, und solch ein Beweis konnte durch keinerlei Kunstgriff hinwegerklärt werden. Allein deshalb wurde die Feindschaft der Priester immer unversöhnlicher. Mehr denn je waren sie entschlossen, Christi Wirken zu unterbinden. LJ 529.1

Die Sadduzäer hatten sich, obgleich Jesus keineswegs günstig gewogen, nicht so voller Gehässigkeit gegen ihn gezeigt wie die Pharisäer. Ihr Haß gegen ihn war nicht so bitter gewesen. Doch jetzt fühlten sie sich ganz und gar beunruhigt; denn sie glaubten ja nicht an die Auferstehung der Toten. Sie führten die sogenannte “Wissenschaft” an, die schlußfolgerte, daß es unmöglich wäre, einem toten Körper neues Leben einzuhauchen. Doch mit wenigen Worten hatte Christus ihre Lehrsätze widerlegt und ihnen bewiesen, daß sie weder die heiligen Schriften noch die Macht Gottes kannten. Sie sahen keine Möglichkeit, den durch die Wundertat beim Volk erzielten Eindruck auszulöschen. Wie konnten auch Menschen dem abspenstig gemacht werden, dem es gelungen war, einen Toten der Fessel des Grabes zu entreißen? Lügenhafte Berichte wurden in Umlauf gesetzt, doch die Wundertat konnte nicht geleugnet werden, und die Sadduzäer wußten nicht, wie sie deren Eindruck begegnen sollten. Bisher hatten sie dem Plan, Jesus zu töten, nicht zugestimmt. Nach der Auferstehung des Lazarus jedoch sahen sie ein, daß nur dadurch, daß sie Jesus töteten, seine unerschrockenen Anklagen gegen sie unterbunden werden konnten. LJ 529.2

Die Pharisäer ihrerseits glaubten an die Auferstehung. Sie vermochten nur nicht in diesem Wunder den Beweis zu erkennen, daß der Messias mitten unter ihnen war; denn stets hatten sie sein Wirken bekämpft. Von Anbeginn war er von ihnen gehaßt worden, weil er ihre scheinheiligen Ansprüche enthüllt hatte. Er hatte den Deckmantel strenger Kulterfüllung, unter dem sich ihr sittlicher Niedergang verbarg, beiseite gerissen. Ihre unaufrichtigen Frömmigkeitsbeteuerungen sahen sie von der reinen Frömmigkeit, die er verkündete, verurteilt. Sie lechzten danach, sich an ihm für seine deutlichen Vorwürfe zu rächen. Sie hatten ihn herauszufordern gehofft, etwas zu sagen oder zu tun, das ihnen Gelegenheit geben würde, ihn zu verurteilen. Verschiedentlich hatten sie versucht, ihn zu steinigen, aber er war ruhig aus ihrer Mitte gegangen und ihren Blicken entschwunden. LJ 530.1