„Als nun Mose wieder zum Herrn kam, sprach er: Ach! Das Volk hat eine große Sünde begangen, daß sie sich goldene Götter gemacht haben! Und nun vergib ihnen doch ihre Sünde; wenn aber nicht, so tilge mich aus deinem Buch, das du geschrieben hast! 2Mose 32:31, 32
„Mose zeigte seine große Liebe zu dem Volk, indem er den Herrn bat, ihre Sünde zu vergeben oder seinen Namen aus dem Buch zu streichen, das er geschrieben hatte. Seine Fürbitte verdeutlicht hier die Liebe und Vermittlung Christi für die sündige Menschheit. Der Herr weigerte sich, Moses für die Sünden seines abtrünnigen Volkes leiden zu lassen. Er erklärte ihm, dass er diejenigen, die gegen ihn gesündigt hatten, aus seinem Buch, das er geschrieben hatte, auslöschen würde; denn die Gerechten sollten nicht für die Schuld der Sünder leiden. Das Buch, auf das hier Bezug genommen wird, ist das Buch der Aufzeichnungen im Himmel, in dem jeder Name, jede Tat, jede Sünde und jeder Gehorsam getreu aufgezeichnet sind. Wenn jemand Sünden begeht, die zu schwerwiegend sind, als dass der Herr sie vergeben könnte, werden ihre Namen aus dem Buch gelöscht, und sie sind der Vernichtung geweiht. Obwohl Moses sich des schrecklichen Schicksals derer bewusst war, deren Namen aus dem Buch Gottes gestrichen werden sollten, erklärte er doch vor Gott unmissverständlich, dass, wenn die Namen seines irrenden Volkes Israel ausgelöscht und von ihm nicht mehr zum Guten in Erinnerung behalten werden sollten, er wünschte, dass sein Name mit ihnen ausgelöscht würde. Denn er könnte es niemals ertragen, zu sehen, wie der ganze Zorn Gottes über das Volk kommt, für das er solche Wunder vollbracht hatte. 3SG 285.1
Lies 2. Mose 32,1–6. Wie konnte Aarons Führung so spektakulär scheitern?
Während Moses Abwesenheit war Aaron die richterliche Amtsgewalt übertragen worden. Eine riesige Menge versammelte sich nun um sein Zelt und forderte: „Auf, mach uns einen Gott, der vor uns hergehe! Denn wir wissen nicht, was diesem Mann Mose widerfahren ist, der uns aus Ägyptenland geführt hat.“ 2.Mose 32,1. Sie meinten, die Wolke, die ihnen bisher voranging, ruhe jetzt ständig auf dem Berge und würde sie nicht länger auf ihrer Wanderung geleiten. Sie müßten ein Bildnis an ihrer Stelle haben. Und falls sie sich, wie einige vorschlugen, für die Rückkehr nach Ägypten entscheiden sollten, würden sich die Ägypter wohlwollend verhalten, wenn sie dieses Bild vor sich her trügen und damit als ihren Gott anerkannten. PP 291.2
Solche Krise verlangte eine entschlossene, willensstarke und mutige Persönlichkeit, die Gottes Ehre über Volksgunst und persönliche Sicherheit, selbst über das Leben stellte. Aber solchen Charakter besaß der derzeitige Führer Israels nicht. Aaron machte dem Volk gegenüber nur schwache Einwendungen, aber gerade durch seine Unschlüssigkeit und Furchtsamkeit im entscheidenden Augenblick wurde es um so entschlossener. Die Erregung wuchs. Blinde, unvernünftige Raserei schien von der Menge Besitz zu ergreifen. Wohl blieben einige ihrem Bund mit Gott treu, aber die Mehrzahl willigte in den Abfall ein. Zwar wagten einige wenige, das geplante Bild als Abgötterei zu brandmarken. Aber da fiel man über sie her und mißhandelte sie; in dem allgemeinen Aufruhr kamen sie schließlich ums Leben. PP 291.3
Weil Aaron um seine Sicherheit fürchtete, gab er den Forderungen der Menge nach, statt mutig für die Ehre Gottes einzutreten. Als erstes ließ er alle goldenen Ohrringe vom Volke einsammeln und zu sich bringen. Er hoffte, daß sie bei ihrer Eitelkeit auf ein solches Opfer gar nicht eingehen würden. Aber sie gaben ihren Schmuck willig her, und so goß er ihnen ein goldenes Kalb daraus, eine Nachbildung der ägyptischen Gottheit. Das Volk rief: „Das ist dein Gott, Israel, der dich aus Ägyptenland geführt hat!“ 2.Mose 32,4. Und feige ließ Aaron diese Beleidigung Jahwes zu. Er tat noch mehr. Als er sah, mit welcher Befriedigung der goldene Gott aufgenommen wurde, baute er einen Altar davor und ließ ausrufen: „Morgen ist des Herrn Fest.“ Im ganzen Lager verkündeten Trompeten die Nachricht von Gruppe zu Gruppe. „Und sie standen früh am Morgen auf und opferten Brandopfer und brachten dazu Dankopfer dar. Danach setzte sich das Volk, um zu essen und zu trinken, und sie standen auf, um ihre Lust zu treiben.“ 2.Mose 32,5.6. Unter dem Vorwand, „des Herrn Fest“ zu feiern, veranstalteten sie eine Schwelgerei und ausschweifende Lustbarkeit. PP 292.1
Wie oft wird heutzutage die Vergnügungssucht mit dem „Schein eines gottesfürchtigen Wesens“ (2.Timotheus 3,5) bemäntelt! Eine Religion, die bei der Beobachtung gottesdienstlicher Bräuche den Leuten erlaubt, selbstischen oder sinnlichen Genüssen zu frönen, gefiele den Menschen heute ebensogut wie in den Tagen Israels. Und es gibt immer noch nachgiebige Aarons, die die Wünsche Ungeheiligter billigen und sie dadurch nur zur Sünde ermuntern, obwohl sie selbst hohe verantwortliche Stellen in der Gemeinde innehaben. PP 292.2
Lies 2. Mose 32,6. Wohin führte sie ihr Götzendienst so schnell? (Siehe auch Ps. 115,4–8; Ps. 135,15–18; Jes. 44,9.10.)
Es war nur wenige Tage her, daß die Hebräer einen feierlichen Bund mit Gott geschlossen und versprochen hatten, auf seine Stimme zu hören. Zitternd und angsterfüllt hatten sie vor dem Berge gestanden und den Worten des Herrn gelauscht: „Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.“ 2.Mose 20,3. Die Herrlichkeit Gottes schwebte noch vor den Augen der Gemeinde über dem Sinai, aber sie wandten sich von ihr ab und verlangten nach anderen Göttern. „Sie machten ein Kalb am Horeb und beteten das gegossene Bild an und verwandelten die Herrlichkeit ihres Gottes in das Bild eines Ochsen, der Gras frißt.“ Psalm 106,19.20. Größere Undankbarkeit hätten sie ihm nicht zeigen, schmählicher ihn nicht beleidigen können, der sich ihnen als gütiger Vater und allmächtiger König offenbart hatte! PP 292.3
Inwiefern spiegelt die Abkehr vom goldenen Kalb wider, was in Römer 1,22–27 geschrieben steht?
Gott ließ Mose auf dem Berge von dem Abfall im Lager wissen und befahl ihm, unverzüglich zurückzukehren. „Geh, steig hinab“, lauteten Gottes Worte, „denn dein Volk, das du aus Ägyptenland geführt hast, hat schändlich gehandelt. Sie sind schnell von dem Wege gewichen, den ich ihnen geboten habe. Sie haben sich ein gegossenes Kalb gemacht und haben‘s angebetet.“ 2.Mose 32,7.8. Gott hätte diese Entwicklung gleich zu Anfang verhindern können, aber er ließ sie den Höhepunkt erreichen, um allen ganz deutlich zu zeigen, wie er Verrat und Abfall strafte. PP 293.1
„Mit ihrer menschlichen Weisheit kann die Welt Gott nicht erkennen. Ihre Weisen sammeln ein unvollkommenes
Wissen über Gott aus seinen Schöpfungswerken und erheben dann in ihrer Torheit die Natur und die Naturgesetze über den Gott der Natur. Diejenigen, die keine Erkenntnis Gottes haben, weil sie die Offenbarung, die er in Christus von sich selbst gegeben hat, nicht annehmen, werden nur eine unvollkommene Erkenntnis von ihm in der Natur erlangen; und diese Erkenntnis wird, weit davon entfernt, eine hohe Vorstellung von Gott zu vermitteln und das ganze Wesen in Übereinstimmung mit seinem Willen zu bringen, die Menschen zu Götzendienern machen. Sie geben vor, weise zu sein, und werden zu Narren.“ 1SM 295.1
Lies 2. Mose 32,7.8. Warum sandte Gott Mose zurück zum Lager Israels?
Gott ließ Mose auf dem Berge von dem Abfall im Lager wissen und befahl ihm, unverzüglich zurückzukehren. „Geh, steig hinab“, lauteten Gottes Worte, „denn dein Volk, das du aus Ägyptenland geführt hast, hat schändlich gehandelt. Sie sind schnell von dem Wege gewichen, den ich ihnen geboten habe. Sie haben sich ein gegossenes Kalb gemacht und haben‘s angebetet.“ 2.Mose 32,7.8. Gott hätte diese Entwicklung gleich zu Anfang verhindern können, aber er ließ sie den Höhepunkt erreichen, um allen ganz deutlich zu zeigen, wie er Verrat und Abfall strafte. PP 293.1
Gottes Bund mit seinem Volk war damit ungültig geworden, und er sagte deshalb zu Mose: „Nun laß mich, daß mein Zorn über sie entbrenne und sie vertilge; dafür will ich dich zum großen Volk machen.“ 2.Mose 32,10. Israel und besonders die Fremden unter ihnen neigten immer dazu, sich gegen Gott aufzulehnen. Sie würden auch gegen Mose murren und ihn durch Unglauben und Halsstarrigkeit kränken. Es bliebe eine mühselige, zermürbende Aufgabe, sie in das verheißene Land zu bringen. Sie hatten ja auch mit ihren Sünden Gottes Gnade bereits verwirkt. Die Gerechtigkeit verlangte ihren Untergang. Deshalb schlug der Herr vor, sie auszurotten und Mose zum mächtigen Volk zu machen. PP 293.2
Wäre zu Moses' Zeiten nicht eine gemischte Menge aus Ägypten gekommen, hätte die Exodus-Bewegung das verheißene Land in wenigen Wochen erreichen können. Aber weil in der Prüfung dieser Bewegung viele mitgingen, die einen anderen Geist hatten als Kaleb und Josua, verzögerte sich die Bewegung um vierzig Jahre, bevor sie das verheißene Land erreichte!
Lies 2. Mose 32,9–29. Wie reagierte Mose auf Gottes Drohung, Israel zu vernichten?
„Laß mich, daß ... [ich] sie vertilge“ (2.Mose 32,10), waren Gottes Worte. Wer konnte für Israel bitten, wenn Gott beschlossen hatte, sie zu vernichten? Wie wenige hätten etwas anderes getan, als die Sünder ganz einfach ihrem Schicksal zu überlassen! Wer hätte nicht lieber mühevolle Arbeit sowie Lasten und Opfer, mit denen man noch dazu Undankbarkeit und Murren erntete, gegen eine bequemere, ehrenvolle Stellung eingetauscht, zumal wenn Gott selbst diese Erleichterung anbot! PP 293.3
Aber Mose meinte noch, Grund zur Hoffnung zu haben, wo es nur Enttäuschung und Zorn zu geben schien. Gottes Worte „Laß mich“ (2.Mose 32,10) verstand er nicht als Verbot, sondern als Ermutigung zur Vermittlung, die andeuteten, daß nur Moses Fürbitte Israel retten könne. Wenn er ihn darum bäte, würde Gott sein Volk schonen. So flehte Mose vor dem Herrn, seinem Gott, und sprach: „Ach, Herr, warum will dein Zorn entbrennen über dein Volk, das du mit großer Kraft und starker Hand aus Ägyptenland geführt hast?“ . PP 294.1
Als Mose und Josua mit den „Tafeln des Gesetzes“ (2.Mose 32,15) vom Berge herabkamen, hörten sie das Freudengeschrei der erregten Menge, die offensichtlich ein ausgelassenes Getümmel veranstaltete. Der erste Gedanke des Kriegsmannes Josua war, daß es sich um einen Angriff von Feinden handeln müsse. „Es ist ein Kriegsgeschrei im Lager“ (2.Mose 32,17), sagte er. Aber Mose beurteilte den Tumult treffender. Diese Geräusche kamen nicht vom Kampf, sondern von lärmender Lustbarkeit. „Es ist kein Geschrei wie bei einem Sieg, und es ist kein Geschrei wie bei einer Niederlage, ich höre Geschrei wie beim Tanz.“ 2.Mose 32,18. PP 295.1
Als sie sich dem Lager näherten, sahen sie das Volk jauchzend um das Götzenbild tanzen. Es war ein Anblick wie bei heidnischen Schwelgereien, eine Nachahmung der Götterfeste in Ägypten. Wie so ganz anders war dagegen die feierliche, ehrerbietige Anbetung Gottes! Mose war erschüttert. Er kam ja gerade aus der Gegenwart der Herrlichkeit Gottes. Zwar war er vor dem, was sich hier zutrug, gewarnt worden, auf eine solche furchtbare Zurschaustellung der Verderbtheit Israels war er jedoch nicht vorbereitet. Heftiger Zorn packte ihn. Um seinen Abscheu vor ihrem Frevel deutlich zu machen, schleuderte er die Steintafeln zu Boden, daß sie vor den Augen des ganzen Volkes zerbrachen. Damit machte er allen klar: So wie sie ihren Bund mit Gott gebrochen hatten, hatte nun auch Gott seinen Bund mit ihnen zerbrochen. PP 295.2
Mose betrat das Lager. Er ging durch das dichte Gedränge der Ausgelassenen, ergriff das Götzenbild und warf es ins Feuer. Später zerrieb er es zu Staub, schüttete ihn in den Bach, der vom Berge herabkam, und ließ das Volk daraus trinken. So zeigte er ihnen die völlige Wertlosigkeit des Götzen, den sie angebetet hatten. PP 295.3
Nun lud der große Volksführer seinen schuldig gewordenen Bruder vor und fragte streng: „Was hat dir das Volk getan, daß du eine so große Sünde über sie gebracht hast?“ 2.Mose 32,21. Aaron suchte sich zu verteidigen, indem er sich auf die lauten Klagen des Volkes berief. Wenn er dessen Wünschen nicht nachgegeben hätte, würde es ihn getötet haben. „Mein Herr lasse seinen Zorn nicht entbrennen“, sagte er, „du weißt, daß dies Volk böse ist. Sie sprachen zu mir: Mache uns einen Gott, der vor uns hergehe; denn wir wissen nicht, was mit diesem Mann Mose geschehen ist, der uns aus Ägyptenland geführt hat. Ich sprach zu ihnen: Wer Gold hat, der reiße es ab und gebe es mir. Und ich warf es ins Feuer; daraus ist das Kalb geworden.“ 2.Mose 32,22-24. Er wollte Mose glauben machen, hier sei ein Wunder geschehen; er habe das Gold ins Feuer geworfen, und durch übernatürliche Macht sei es zu einem Kalb geworden. Aber seine Ausflüchte und Vorwände nützten nichts. Zu Recht wurde er als der Hauptübeltäter behandelt. PP 295.4
Lies 2. Mose 32,30–32. Wie weit ging Mose in seinem Fürbittgebet für die Sünder?
Aber Mose meinte noch, Grund zur Hoffnung zu haben, wo es nur Enttäuschung und Zorn zu geben schien. Gottes Worte „Laß mich“ (2.Mose 32,10) verstand er nicht als Verbot, sondern als Ermutigung zur Vermittlung, die andeuteten, daß nur Moses Fürbitte Israel retten könne. Wenn er ihn darum bäte, würde Gott sein Volk schonen. So flehte Mose vor dem Herrn, seinem Gott, und sprach: „Ach, Herr, warum will dein Zorn entbrennen über dein Volk, das du mit großer Kraft und starker Hand aus Ägyptenland geführt hast?“ 2.Mose 32,11. Gott hatte zu erkennen gegeben, daß er sein Volk verwarf, und zu Mose gesagt: „Dein Volk, das du aus Ägyptenland geführt hast.“ 2.Mose 32,7.8. Aber Mose lehnte die Führerschaft Israels demütig ab. Es gehörte nicht ihm, sondern Gott: „Dein Volk, das du mit großer Kraft und starker Hand ... geführt hast. Warum sollen die Ägypter sagen“, flehte er, „er hat sie zu ihrem Unglück herausgeführt, daß er sie umbrächte im Gebirge und vertilgte sie vom Erdboden?“ 2.Mose 32,11.12. PP 294.1
In den wenigen Monaten seit Israels Auszug aus Ägypten hatte sich die Nachricht von ihrer wunderbaren Befreiung bei allen umwohnenden Völkern herumgesprochen. Furcht und schreckliche Ahnungen überkamen die Heiden. Sie alle beobachteten, was Israels Gott mit seinem Volk tun würde. Vertilgte er es jetzt, gäbe es Triumphgeschrei bei dessen Feinden, und Gott wäre entehrt. Die Ägypter würden behaupten, daß ihre Beschuldigungen stimmten: statt die Hebräer in die Wüste zu führen, um ihm zu opfern, hätte Gott sie selbst geopfert. Israels Sünden würden sie natürlich nicht bedenken. Die Vernichtung dieses Volkes, das Gott in solch hohem Maße ausgezeichnet hatte, mußte Schande auf seinen Namen bringen. Welch große Verantwortung ruht deshalb auf denen, die Gott für würdig hält, zum Lobe seines Namens in der Welt beizutragen! Wie wachsam sollten sie sich vor Sünde hüten, um nicht seine Gerichte auf sich herabzurufen und damit die Lästerung seines Namens durch die Gottlosen zu veranlassen! PP 294.2
Als Mose für Israel eintrat, hatte er über seiner großen Liebe zu ihnen, für die er unter Gottes Führung so viel tun durfte, alle Zaghaftigkeit aufgegeben. Der Herr erhörte seine Bitten und gewährte ihm, worum er so selbstlos flehte. Er hatte seinen Diener auf die Probe gestellt. Er prüfte dessen Treue und Liebe zu dem undankbaren und vom rechten Wege abgewichenen Volk. Mose hatte diese Probe gut bestanden. Seine Anteilnahme für Israel entsprang keinem selbstsüchtigen Beweggrund. Das Wohlergehen des erwählten Gottesvolkes war ihm mehr wert als eigene Ehre und als der Vorzug, selbst Stammvater eines großen Volkes zu werden. Gott hatte Wohlgefallen an seiner Treue, seiner Herzenseinfalt und Lauterkeit. Darum übertrug er ihm als einem treuen Hirten die hohe Aufgabe, Israel in das verheißene Land zu führen. PP 294.3
Die Tatsache, daß Aaron mehr als alles Volk gesegnet und ausgezeichnet worden war, machte seine Sünde besonders abscheulich. Aaron, der „Heilige des Herrn“ (Psalm 106,16), hatte das Götzenbild gemacht und ein Fest ausgerufen, und das, obwohl er zum Wortführer für Mose bestimmt worden war, von dem Gott selbst bezeugte, daß er beredt sei. Vgl. 2.Mose 4,14. Er versagte, als es galt, den Götzendienern in ihren den Himmel herausfordernden Absichten entgegenzutreten. Er, der als Gottes Werkzeug Gerichte über die Ägypter und ihre Götter brachte, hörte ungerührt vor dem gegossenen Bild rufen: „Das ist dein Gott, Israel, der dich aus Ägyptenland geführt hat.“ 2.Mose 32,4. Mit Mose war er auf dem Berge gewesen und hatte die Herrlichkeit Gottes geschaut. Er mußte bei dieser Offenbarung erkennen, daß es nichts gab, woraus man sich ein Bild hätte machen können. Und doch hatte er danach diese Herrlichkeit in das Ebenbild eines Tieres verwandelt. Gott vertraute ihm in Moses Abwesenheit die Leitung des Volkes an, und er ließ dessen Empörung zu. „Auch war der Herr sehr zornig über Aaron, so daß er ihn vertilgen wollte.“ 5.Mose 9,20. Aber auf Moses dringende Fürbitte hin blieb sein Leben verschont. Und als er seine große Sünde bereute und sich demütigte, nahm ihn Gott auch wieder in Gnaden an. PP 296.1
Wäre Aaron so mutig gewesen, ohne Rücksicht auf die Folgen für das Rechte einzustehen, hätte er jenen Abfall verhindern können. Wäre er Gott unerschütterlich treu geblieben und hätte er das Volk an das beängstigende Sinaierlebnis erinnert, an sein feierliches Gelübde, dem Gesetz Gottes zu gehorchen, dann hätte er dem Bösen Einhalt gebieten können. Aber seine Nachgiebigkeit gegenüber den Wünschen des Volkes und die ruhige Sicherheit, mit der er ihre Pläne ausführte, bestärkten sie, so daß sie in ihrer Sündhaftigkeit weiter gingen, als sie eigentlich beabsichtigten. PP 296.2
Als Mose nach der Rückkehr den Empörern gegenüberstand, verglich das Volk seine heftige Art zu tadeln und seinen Unwillen, in dem er die heiligen Gesetzestafeln zerbrach, mit der angenehmen Ausdrucksweise und würdevollen Haltung seines Bruders. Da galt ihre Zuneigung Aaron. Obwohl dieser zu seiner Rechtfertigung das Volk dafür verantwortlich zu machen suchte, daß er in seiner Schwäche dessen Forderungen nachgegeben hatte, bewunderte es seine Milde und Geduld. Aber Gott sieht nicht mit den Augen der Menschen. Durch seine Nachgiebigkeit und den Wunsch, gefällig zu sein, war Aaron für das Frevelhafte seiner Schuld, die er guthieß, wie mit Blindheit geschlagen. Daß er durch seinen Einfluß die Sünde Israels begünstigte, kostete Tausenden das Leben. Welcher Gegensatz zu Mose, der gewissenhaft Gottes Gerichte vollstreckte und damit bewies, daß ihm Israels Wohlergehen mehr wert war als das eigene Ansehen oder Leben. PP 297.1
Von allen Sünden, die Gott strafen wird, wiegt in seinen Augen keine so schwer wie die, andere im Bösen zu bestärken. Gott möchte, daß seine Diener ihre Treue dadurch beweisen, daß sie Fehler gewissenhaft tadeln, so schmerzlich das auch sein mag. Wer von Gott eines besonderen Auftrags gewürdigt wird, darf nicht nachgiebig und liebedienerisch sein, nicht nach Selbsterhöhung streben oder unangenehmen Pflichten ausweichen. Er muß vielmehr Gottes Werk mit unwandelbarer Treue ausführen. PP 297.2
Obwohl Gott Moses Bitte, Israel vor der Vernichtung zu bewahren, erhörte, mußte dessen Abfall doch spürbar bestraft werden. Die Gesetzlosigkeit und Unbotmäßigkeit, in die Aaron das Volk geraten ließ, würden sogleich in Gottlosigkeit ausarten, und es konnte einen nicht wieder gutzumachenden Schaden erleiden, wenn man sie nicht schnell unterdrückte. Das Böse mußte mit unnachgiebiger Härte ausgetrieben werden. Im Tor des Lagers stehend, rief Mose dem Volke zu: „Her zu mir, wer dem Herrn angehört!“ 2.Mose 32,26. Wer nicht an der Abgötterei beteiligt war, mußte sich zu seiner Rechten aufstellen, wer schuldig war, aber bereute, zur Linken. Dieser Befehl wurde befolgt. Dabei stellte sich heraus, daß der Stamm Levi nicht am Götzendienst teilgenommen hatte. Aus den anderen Stämmen hatten viele gesündigt, aber sie gaben jetzt ihre Reue zu erkennen. Ein großer Teil dagegen, zumeist aus dem „fremden Volk“ (2.Mose 12,38), der zur Herstellung des Kalbes angestiftet hatte, blieb verstockt bei seiner Auflehnung. Im Namen des Herrn, des Gottes Israels, befahl nun Mose denen zu seiner Rechten, die der Abgötterei ferngeblieben waren, ihre Schwerter umzugürten und alle, die hartnäckig bei ihrer Empörung blieben, zu erschlagen. „Und es fielen an dem Tage vom Volk dreitausend Mann.“ 2.Mose 32,28. Ohne Rücksicht auf Stellung, Verwandtschaft oder Freundschaft wurden die Rädelsführer im Aufruhr ausgerottet. Aber alle, die sich demütigten und bereuten, blieben verschont. PP 297.3